Seit dem Test des Cayin N3 Pro bin ich nachhaltig von diesem DAP überzeugt und habe mir selbst einen zugelegt. Das kleine Ding ist einfach fantastisch. Nun hat Cayin einen weiteren InEar entwickelt – und da werde ich natürlich hellhörig. Der Cayin Fantasy liegt als Single Dynamiker voll im Trend, denn immer mehr Hersteller entdecken die Simplizität wieder und konzentrieren sich statt Multi-Treiber Wettrüst-Orgien lieber auf pure Lösungen mit nur einem Treiber. Daß diese Technik absolut konkurrenzfähig ist, zeigt nicht zuletzt der Cayin Fantasy eindrucksvoll. Ich weiß nicht, wann mich das letzte Mal ein InEar so dermaßen beeindruckt hat. Aber der Reihe nach…
Inhalt
[Werbung] Der Cayin Fantasy wurde mir für diesen Test leihweise von deutschen Distributor zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Der Cayin Fantasy InEar
Beim Cayin Fantasy handelt es sich bereits um den zweiten InEar der chinesischen Edelschmiede. Den Erstling – den YB04 – konnte ich bisher leider nicht nicht hören. Der YB04 setzt komplett auf BA Treiber, der Fantasy geht einen anderen Weg: Hier kommt nur ein einzelner dynamischer Treiber zum Einsatz. Cayin hat eine Membran aus Biozellulose mit Beryllium Beschichtung gewählt. Das macht den Cayin nicht nur höchst musikalisch, sondern auch unbestechlich präzise. Grundsätzlich finde ich die aktuelle Entwicklung hin zu weniger Treibern erfrischend. Zeigt sie doch eindrucksvoll, daß nicht automatisch viele Treiber nötig sind, um fantastischen Klang zu erzeugen.
Zum Preis von rund 1.000€ bietet der Fantasy jedenfalls definitiven Flaggschiff-Sound ohne Kompromisse. Bereits die Verpackung ist absolut edel und stimmt den Käufer auf den Hörer ein.
Lieferumfang & Verpackung
Die Verpackung ist bullig für einen InEar! In einem matt-schwarzen Pappschuber mit kupferfarbener Akzentprägung findet sich eine aufwändig gestaltete Box. Die Ober- und Vorderseiten lassen sich aufklappen und geben den Blick auf die juwelengleich in Schaumstoffausschnitten präsentierten InEars oben frei. Auf der Front befinden sich zwei schubladenartig herausziehbare Pappschachteln mit Zubehör: Die Tips, Kabel, Tasche etc.
Die Präsentation erinnert an eine hochwertige Schatulle, und Cayin holt den Käufer an dieser Stelle perfekt ab. So muss das sein, auch wenn es unterm Strich natürlich nicht „nötig“ wäre. Konsumpsychologisch ist das aber hinsichtlich eines hollistischen Produkterlebnisses absolut perfekt. Ich mag sowas!
Den Lieferumfang bezeichne ich gern als umfangreich. Es liegen insgesamt 13 Paar verschiedene Tips bei. Wozu die Pinzette gedacht ist, konnte ich nicht evaluieren. Beim Entnehmen der Tips aus dem Schaumstoff ist sie jedenfalls gut zu gebrauchen!
Der Lieferumfang im Einzelnen:
- Cayin Fantasy InEars
- 1.3m Kabel
- 12 Paar verschiedene Eartips (ein zusätzliches Paar ist aufgezogen)
- Tasche
- Papierkram
- Kabelclip
- Microfasertuch
- Reinigungspinsel
- Pinzette
Technische Daten Cayin Fantasy
Treiber: | Zwei Wege Magnete im Doppelholraum treiben die Berylliumbeschichtete 10.3 mm Bio-Cellulose Membrane an. |
Gehäuse: | Edelstahl |
Empfindlichkeit: | 108dB@1kHz |
Impedanz: | 37 Ω |
Frequenzgang: | 20HZ – 40kHz |
Kabel: | 1,3 Meter 3.5mm 0.78 2-PIN |
Geräuschdämmung nach außen: | -26dB |
Design & Verarbeitung
Die InEars
Das Gehäuse des Fantasy ist aus 316er Edelstahl, was ein hohe Materialqualität gewährleistet. Die Gehäuse sehen dazu absolut fantastisch aus. Das Material ist spiegelglänzend und die Oberfläche kann ich nur als perfekt bezeichnen. Es gibt keine Einschlüsse oder Unregelmäßigkeiten. Auch die Spaltmaße sind rundherum gleichermaßen fehlerfrei ausgeführt.
Die Fertigungsqualität ist erstklassig, ich konnte keine Verarbeitungsmängel entdecken. Der 2-Pin Kabelanschluss ist nicht plan ausgeführt, sondern besitzt eine Führung, in die das Gegenstück am Stecker geführt wird. Somit wird einer Beschädigung der filigranen Drähte vorgebeugt. Bei entsprechender Vorsicht beim Stecken dürfte diese Verbindung lange halten. Grundsätzlich sagt man der 2-Pin Verbindung ja eine längere Lebensdauer als z.B. dem MMCX System nach.
Wer Edelstahl kennt, der weiß auch, daß dieses Metall nicht unempfindlich gegen Kratzer ist. Das bedeutet, daß die makellose Oberfläche vermutlich relativ schnell feinste Kratzer aufnehmen wird. Auch wenn nach ein paar Tagen (zugegebenermaßen übermäßig vorsichtiger) Nutzung bei meinem Tester noch nichts dergleichen zu sehen ist, so vermute ich stark, daß das nicht so bleibt. Microkratzer lassen sich bei Edelstahl nur sehr schwer vermeiden – man sollte davon ausgehen, daß diese vielmehr zum natürlichen Altern dazugehören. Letztlich macht genau das auch den speziellen und individuellen Look von Edelstahl aus.
Das Kabel
Bei dem beiliegenden Kabel handelt es sich um ein extrem flexibles, verdrilltes High-End Kabel. Dieses ist 1,3 Meter lang und aus vier Adern bestehend mit jeweils 38 einzelnen OCC Kupfer und silberbeschichteten Leitern. Für solch ein Kabel kann man in vergleichbarer Qualität im Zubehörmarkt schonmal gerne 400€ allein bezahlen. Im Vergleich zu manchen Serienstrippen eine absolute Offenbarung. Null Memoryeffekt, null Microphonie. Es fällt locker und leicht, es verdrillt sich nicht. Ein perfektes Kabel. Optisch, haptisch und klanglich.
Der 3.5mm Stecker ist massiv, ebenso der Splitter. Die 2-Pin Stecker sind superb verarbeitet und wirken absolut robust.
Die Tasche
Hier dann doch noch Kritik: Das weiche Mäppchen hätte man gern zusätzlich zu einem vernünftigen Ledercase dazupacken dürfen – als alleinige Transportlösung ist das etwas wenig. Da helfen auch nicht die innovativen eingenähten Mesh-Sektionen für die beiden InEars.
Komfort & Handling
Die Kontur der InEars folgt grob der Concha im Ohr. Es handelt es sich um ein universell ausgeformtes Modell, was den meisten Leuten gut passen dürfte. Das Kabel wird Profi-like über das Ohr geführt. Das verbessert den Sitz und vermeidet Bewegung. In meinen Ohren sitzen die Fantasy perfekt. Selbst das etwas höhere Gewicht aufgrund der Edelstahlgehäuse fällt nicht weiter auf und relativiert sich.
Der Seal ist mit den richtigen Tips perfekt. Hier gilt aber wie immer: Ausprobieren ist Pflicht. Obwohl der Lieferumfang sehr groß ist, habe ich mit keinem der beiliegenden Tips einen wirklich 100%igen Seal gefunden – zumindest keinen, der auch dauerhaft hält. Erst die von mir mittlerweile präferierten Final Audio E Tips sorgen bei mir persönlich für optimale Abdichtung, Passform und damit perfekte Bassqualität. Ausprobieren lohnt, und wenn die beiliegenden nicht perfekt sind, ruhig mal Spinfits oder die Final E probieren. Und wie steht es mit Treiberflex? Hier kann ich Entwarnung geben, ist schlicht nicht vorhanden.
Klangqualität
Der Sound des Cayin Fantasy ist eine Offenbarung. Und das ist jetzt kein spontanes New-Toy Gefasel, sondern hat sich in den letzten Tagen bei mir absolut verfestigt. Zur Einordnung: Hier liegen mit den Campfire Audio Solaris 2020, Andro Gold, Dorado 2020, dem Vision Ears EVE20, dem iBasso IT07 und einigen mehr nicht gerade schlechte InEars rum. Doch seit ich den Fantasy hier habe, greife ich aktuell zum Musikhören jenseits der Tests nur noch zum Cayin. Warum? Ist es die Natürlichkeit, die Klarheit, die Musikalität? Keine Ahnung – vermutlich das Gesamtpaket. Sagt man ja so.
Gehört habe ich den Cayin Fantasy sowohl am hauseigenen Cayin N3 Pro, meinem iBasso DX220 Max, dem Sony WM1A und dem Topping DX7 Pro.
Der Fantasy ist von der Abstimmung her ein ganz großer Wurf. Ich empfinde ihn als überaus ausgeglichen und musikalisch. Er betont keinen Frequenzbereich speziell, verfügt aber über eine mitreißende Energie und Klarheit in allen Frequenzen. Das macht ihn zum Einen absolut faszinierend und herausragend, zum Anderen aber genauso unspektakulär und deshalb mega langzeittauglich. Er bringt jedwedes Genre zum Erstrahlen.
Und er hat zwei Schichten. Die erste ist die Musikalität. Man fühlt sich direkt bei den ersten Takten komplett hineingezogen in das Musikgeschehen. Versinkt darin, geht mit, wippt den Takt, fühlt die Emotionen. Die zweite Schicht ist die Präzision. Ich habe noch keinen Single-Dynamiker mit einer derart akkuraten und kontrollierten Präzision hören dürfen. Auch wenn der Vergleich natürlich hinkt, so ertappe ich mich manchmal dabei zu denken, ich hätte den Sennheiser HD800S auf dem Kopf. Die Bühne ist nicht ganz so weit, aber die Separation, Luftigkeit und Tonalität haben definitiv eine Ähnlichkeit.
Der Klang im Detail
Bass
Der Fantasy ist beileibe keine Basswumme – aber auch kein Kind von Traurigkeit. Im Gegenteil. Was nämlich an natürlicher Plastizität im Bassbereich abgeht – vor allem bei akustischen Drums – ist phänomenal. Das klingt einfach nur absolut frisch und druckvoll. Wie eine fette PA auf einem Livekonzert. Explosive Snaredrums, organisch punchende Bassdrums und pumpende Bassläufe. Ach ja: Wer hat nochmal behauptet, daß dynamische Basstreiber langsam wären? Vorbei, das war vielleicht einmal. Transienten kommen impulsiv und selbst schnellste Doublebass-Salven bleiben klar konturiert und definiert.
Mitten
Mit Übergängen von einem in den anderen Frequenzbereich muss man sich bei Single-Treibersystemen sowieso keine Gedanken machen – es gibt sie schlicht nicht. Auch deshalb geht beim Fantasy der Bass sauber in den Oberbass und dann die unteren Mitten über. Die Mitten selbst sind hochtransparent, sauber und ultrapräzise. Selten habe ich Gitarrenriffs texturierter und differenzierter gehört. Auch Stimmen passen. Singer Songwriter Musik? Gänsehaut. Klassik ebenso.
Höhen
Der Fantasy verwöhnt mit absolut klaren, transparenten und hoch-detaillierten Höhen. Solche Strahlkraft kenne ich bisher nur von BA Treibern. Der Clou: Trotzdem keine Spur von spitzen Peaks, schmerzenden Stichen oder nervenden Sibilanten. Trotz der unglaublichen Klarheit und luftigen Brillianz sind die Höhen gut durchhörbar ohne zu nerven. Absolut FANTASTISCH!
Bühne
Das Imaging ist nicht übertrieben, aber immer passend. So gibt es auch keine aufgeblasenen, unnatürlichen Weiten, sondern immer realistische Darbietungen. Egal ob Metalkonzert, Jazzclub oder Klassik. Überhaupt Klassik! Wahnsinn, wie sauber der Fantasy große Ensembles strukturiert und perfekt gestaffelt darbietet.
Separation
Vorbildlich. Ich muss gestehen, daß ich solch eine akkurate Separation bis dato keinem Single Dynamiker zugetraut hätte. Selbst mein alltime Fave – der Sennheiser IE800S – muss sich hier geschlagen geben. Dichte Mixe stellen den Fantasy vor keine Probleme. Sie laden ein, genau zu analysieren oder einfach nur zu genießen – ganz nach Gusto.
Isolation
Mit den passenden Tips erreichen die Fantasy eine akkurate Abdichtung und stehen somit rein passiv einer ANC Lösung kaum nach.
Musikbeispiele
Moonspell – Common Prayers
Ja, die Produktion der neuen Moonspell „Hermitage“ ist göttlich und klingt schon quasi alleine super. Was der Fantasy aber noch rauskitzelt, ist traumhaft. Die sowieso schon fette und druckvolle Bassdrum puncht dermaßen vehement in die Ohren, daß man sich echt fragt, wo denn der Subwoofer steht. Das ist schon fast in der Magengrube spürbar. Und das alles ohne im geringsten die Mitten zu vernachlässigen oder dumpf in den Höhen zu werden. Die dunkle, kräftige Stimme strahlt Energie und Durchsetzungskraft aus – ganz so wie man das live von Moonspell gewohnt ist.
Volbeat – Last Day under the Sun
Grenzwertig abgemischter Song der Dänen, tlw. im Präsenzbereich um 2-4kHz nervig. Im Chorus kommen da der hohe Gesang, offen gespielte HiHats und ein genau in diesem Bereich gipfelndes Gitarrenriff zusammen. Was soll ich sagen: Unbeeindruckt bildet das der Fantasy ganz entspannt und völlig harmonsich ab. Das zeigt eindrucksvoll die Vielseitigkeit des Treibers.
The Pretty Reckless – House on the Hill
Paradedisziplin akustische Instrumente: Der Fantasy glänzt im Intro bei der Akustischen Gitarre und arbeitet Nuancen heraus, die ich so deutlich noch nicht auf dem Schirm hatte. Bei der vollen Instrumentierung sind alle Instrumente gleichwertig im Mix zu hören, alles passt sehr gut zusammen und bildet eine Einheit. Bei manchen BA Treibern sind mir die Passagen wo Gesang und Cymbals übereinander liegen zu künstlich. Nicht hier. Absolut natürliche Tonalität und Instrumentenpräsentation.
Dropkick Murphys – Middle Finger
Feinste irische Partymucke – da fühlt man sich unmittelbar in einen verschwitzten Pub versetzt. Herausstechend – wenn es so etwas beim Fantasy überhaupt gibt – ist hier wieder dir Bassdrum. Wieder dieser organische, federnde Bassdruck – wie aus einer guten PA. Flöten, Akkordeon und sonstige Details sind sauber herauszuhören.
Soilwork – A Whisp of the Atlantic
Druckvoll produzierter Metalcore (ist es das denn noch?) ist eine weitere Paradedisziplin des Fantasy. Mir als Schlagzeuger zaubert der Fantasy darum ein ums andere Mal ein fettes Grinsen ins Gesicht. Das klingt auch hier wieder so verdammt liveartig – Hammer! Und trotz sehr schnellen Blastbeats teilweise behält der InEar die absolute Kontrolle. Dieser Treiber ist wahnsinnig schnell und agil, perfekt für Metal – aber nicht nur dafür!
Fotos
Fazit
Wow, ich bin wirklich beeindruckt! Der Cayin Fantasy hat mich absolut überzeugt. Klanglich ist er auf einer durchaus neutralen, aber trotzdem involvierenden und mitreißenden Mission unterwegs. Als Kandidat mit nur einem einzigen (dynamischen) Treiber muss er sich keinesfalls hinter Multi-BA Systemen verstecken – im Gegenteil.
Was ihm so überzeugend in die Karten spielt, ist eine angenehm musikalische und dennoch höchst präzise Spielweise, die teilweise an große Over-Ears oder gar richtige Monitorboxen erinnert. Und ganz nebenbei bringt er eines der besten Serienkabel mit, die ich bis jetzt bei einem InEar finden konnte.
Wer einen unkomplizierten, höchst detaillierten, natürlich und ausgeglichen abgestimmten Single-Driver InEar mit involvierender Spielfreude sucht: Unbedingt den Cayin Fantasy auf den Zettel schreiben – Ein atemberaubender InEar!