Wenn es um High-End InEar Kopfhörer geht, kommt man an Sennheiser nicht vorbei. Dem aktuellen Trend zu immer mehr Treibern zum Trotz, spielt deren InEar IE800S in der absoluten TOP-Class – und das für rund 1.000€. Jetzt greift der Traditionshersteller aber erst richtig an – und hat mit dem IE 300 einen neuen InEar mit nur einem dynamischen Treiber entwickelt. Mit 299€ UVP zielt man nämlich nun auf den ambitionierten Consumer und positioniert sich trotzdem auf einer Position, die noch Platz für einen IE600 oder gar IE 900 lässt. Aber hier geht es erstmal um den neuen IE300. Was der kann und wie er klingt – das hören wir uns hier an.
Inhalt
[Werbung] Der IE300 wurde mir für diesen Test direkt von Sennheiser zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!
Der Sennheiser IE300
Ich nutze den IE800S nun schon eine ganze Weile – und immer wieder sehe ich in direkten Vergleichen mit gleich teureren oder sogar teureren Multi-Treiber Systemen, wie konkurrenzfähig ein Single-Dynamiker heutzutage sein kann. Mehr noch: Mittlerweile kann man sogar einen gewissen Trend erkennen. Immer mehr Companys experimentieren wieder mit der Einfachheit von Ein-Treiber Systemen. Mit Erfolg: Sennheiser IE800, Beyerdynamic Xelento, DUNU Luna und ZEN, Final Audio A8000 usw.
Und nach ewiger Zeit bringt Sennheiser neben dem Flaggschiff IE800/S nun endlich einen weiteren High-End InEar in Form des IE300 heraus.
Der IE300 ist von der Form her ein klassischer Around-Ear InEar, d.h. das Kabel wird über dem Ohr getragen. Als Treiber setzt Sennheiser eine Variante des bereits von IE800 bekannten und in Deutschland hergestellten 7mm XWB Treibers ein. Ebenso kommt das Prinzip der Resonatorkammer auch beim IE300 zum Einsatz. Dies soll maskierende Resonanzen verhindern.
Die Kabel sind endlich abnehmbar und von toller Qualität. Der IE800 musste ja bezüglich der festen Strippen viel Kritik einstecken. Das der IE300 nun ein größeres Gehäuse hat, war es endlich möglich, eine Buchse zu verbauen und somit ein wechselbares Kabel zu ermöglichen.
Lieferumfang und Verpackung
Die IE300 liefert Sennheiser im bekannten Verpackungsdesign aus. Auf der Vorderseite befindet sich ein Produktfoto, hinten finden sich technische Daten. Stabile Pappe und ein ansprechendes Design – ganz so wie wir es von anderen Sennheiser Produkten bereits kennen.
Neben dem IE300 packt Sennheiser natürlich das abnehmbare Kabel und ein kleines Transportcase dazu. Verschiedene Aufsätze gibt es ebenfalls: Zum Lieferumfang des IE 300 gehören 3 Paar Ohradapter aus Silikon in verschiedenen Größen sowie 3 Paar verschieden große viskoelastische Adapter aus Memory-Schaum. Abgerundet wird der Lieferumfang durch ein Reinigungswerkzeug.
Technische Daten
Für die Erbsenzähler hier die technischen Daten…. ;-)
- Impedanz: 16 Ω
- Frequenzbereich: 6 Hz – 20 kHz
- Klirrfaktor bei 1kHz< 0,08 % (1 kHz, 94 dB SPL)
- Schalldruckpegel bei 1 kHz: 124 dB (1 kHz / 1 Vrms)
- Kabellänge: 125 cm
- Gewicht ohne Kabel: 4gr !!!!!!!
Design und Verarbeitung
Die Gehäuseform des IE300 mit Trageart Kabel über dem Ohr ist zwar für Sennheiser nichts neues – es gibt ja bereits die IE100/400/500 Pro. Diese zielen allerdings auf Profimusiker ab. Insofern ist der IE300 der erste für den Consumerbereich gedachte InEar, der diese weit verbreitete Form hat.
InEar
Das Design ist schlicht, aber geschmackvoll. Der anthrazitfarbene Kunstoff des Gehäuses ist mit silbernem Glitter versehen, was in Natura viel besser aussieht als auf den ersten Renderings. Hier hat Sennheiser wie so oft ein glückliches Händchen bewiesen und ein zeitloses Design geschaffen, was den meisten Nutzern gefallen dürfte. Bei der Verarbeitung gibt es nix zu meckern, das ist wie immer solide und scheint ebenso langlebig zu sein wie andere Produkte von Sennheiser.
Kabel
Kabeltechnisch hat der IE800(s) viel Kritik einstecken müssen. Viele bemängeln, daß das Kabel nicht abnehmbar ist. Zusätzlich ist der Weg vom Splitter zum InEar zu kurz, verhindert so kräftigen Leuten das Tragen über dem Ohr.
Das Kabel des IE300 hat all dies korrigiert. Es ist abnehmbar und sehr komfortabel in der Länge mit 125cm. Das mit kevlar-verstärkte Kabel ist auch haptisch klasse, fühlt sich sehr robust und wertig an. Die etwas zurück versetzen MMCX Buchsen sorgen für eine zentrierte Einführung des Steckers um die Anschlüsse zu schonen, machen die Wahle ienes Standard-Kabels im Zubehörmarkt aber schwierig.
Tragekomfort
Die IE300 sind unglaublich – also wirklich unglaublich – leicht aufgrund des Kunststoffgehäuses – und das zahlt natürlich voll in den Tragekomfort ein. Mit Kabel über dem Ohr hat man zwar mehr „Kontaktpunkte“ zum Körper, aber trotzdem ist der InEar – auch vor allem wegen des leichten Gewichts – nach ein paar Minuten nicht mehr zu spüren.
Da der IE300 aber einen relativ kurzen Nozzle (Schallröhrchen) hat, sitzt er bei mir für den richtigen Seal etwas schräg im Ohr – was aber nicht weiter stört und nur ein bisschen blöd aussieht und etwas Gefummel beim Einsetzen erfordert.
Meinem Testexemplar lagen übrigens keine Schaumstoff-Aufsätze mehr bei. Nicht tragisch, diese Tips nutze ich sowieso nicht gern und mit den Silikontipps passt es wunderbar.
Das Einsetzen und die richtige Tipwahl ist aber gar nicht so ohne. Bei mir haben nur die mittleren Silikontips einen richtigen Seal. Mit den S & L klingt der Senni bei mir absolut kaputt. Also: Experimentiert mit den Tips und hört nicht auf, wenn von den beigefügten keiner passt. Es scheint, als seien die IE300 echte Diven was das angeht. Mark von Miniklangwunder hat ja die Xelentos draufgepackt, bei mir tun es die Spinfits oder auch die Final E.
Klang
Klar, deswegen seid ihr hier oder? Wie klingt das Ding?
Man hört sofort, daß es ein Sennheiser ist. Der Klang ist absolut smooth, ausgeglichen und vor allem eines: Überaus allgemeintauglich. Luftig, klar, leicht. Im Grunde ist das typisch Sennheiser – klanglich auf der sicheren Seite, ein Schuss Wärme – passt! Langweilig? Maybe, im Vergleich zu einem spezieller abgestimmten InEar ja. Aber andererseits ist der IE300 auch genau deshalb so genial. Also Everybodies Darling? Ja, kommt mir schon so vor, aber durchaus im Positiven zu verstehen. Tonal könnte man schon fast sagen es ist der HD660S für ins Ohr.
Ach ja, als Zuspieler haben mir dieses mal der Questyle CMA400i, der ifi audio iDSD Signature und der Cayin N3 Pro gedient. Viel Power braucht der IE300 nicht, er skaliert auch kaum. Selbst ein mäßig potenter DAP holt hier schon das Maximale heraus.
Der Klang im Einzelnen:
Bass
Im Bass ist er äußerst druckvoll und griffig, der Tiefbass ist da – wenn verlangt. Man hört schon, daß man es mit einem dynamischen Treiber zu tun hat. Dieses organische, druckvolle. Beachtlich schnell für einen Dynamiker ist er überdies, auch bei explosiven Transienten, dabei immer wunderbar voll texturiert. Der IE300 zeichnet sich unterm Strich durch einen satten, sauberen Bass aus. Sehr differenziert und kontrolliert von ganz unten bis in den punchigen Oberbass hinein.
Mitten
Sehr angenehme und vor allem für Stimmen schön vielschichtige und Details herausarbeitende Mitten wissen bei jeder Art von Musik zu überzeugen. Volle Stimmen, fette Metalgitarren, brilliante Strings – alles top. Herausragende Natürlichkeit mit dem Senni-typischen Schuss Wärme – aber immer sehr dezent.
Höhen
Typische weiche Sennheiser Höhen. Die angenehme Smoothness wird hier und da durch das Fehlen des letzten Schimmers erkauft. Dafür gilt aber auch hier: Der IE300 bleibt absolut unangreifbar. Man (also ich zumindest) kann da nicht wirklich Kritik finden. Sehr angenehm, niemals schrill oder nervig.
Separation & Bühne
Breite Bühne, sehr schön aufgefächertes Musikgeschehen. Der kleine Bruder vom HD800S? Japp, kann man fast so sagen. Wenn man sich stundenlang der Musiksammlung hingibt fragt man sich: Sind das echt InEars oder laufen hier doch die Standboxen?
Isolation
Könnte besser sein, natürlich abhängig vom Seal. Aber selbst wenn der passt, kommt immer noch mehr von draußen durch als z.B. beim iBasso IT07.
Vergleich IE300 vs. IE800S
Ernsthaft? Der IE300 kostet 1/3 des IE800S. Macht es da Sinn, diese beiden zu vergleichen? Aber ja, denn Sennheiser selbst sagt ja, daß der Treiber des IE300 eine Weiterentwicklung des 7mm Treibers des IE800(s) ist. Aber auch wenn möglicherweise die Treibertechnik im Innern verwandt ist – beide InEars haben dann doch eine unterschiedliche Abstimmung. Die Weiterentwicklung des Treibers zeigt sich im IE300 nochmals ausgeglichener. Wo der IE800S tlw. etwas „shouty“ im Bereich um (vermutlich, nur geschätzt) 4-7khz ist, da behält der IE300 eine angenehmere Klangfarbe. Insbesondere im Bereich von Cymbals ist der IE300 mMn etwas leichter zu konsumieren, weil dezenter. Der IE800S ist mit vergleichsweise stärker angehobenen Bässen und Höhen eher einer V-Signatur zuzuordnen, während der IE300 eher in Richtung modernerer W-Signatur geht, d.h. die Mitten sind auch etwas geboostet und verleihen dem Ganzen mehr Linearität.
Der IE800S klingt für mich zwar im Großen und Ganzen immer noch spektakulärer abgestimmt, was manchmal aber leider auch nach hinten los gehen kann – und dann schnell ins Künstliche abdriftet. Der IE300 ist da deutlich relaxter und ausgeglichener. Basstextur und Punch gefallen mir beim IE300 ebenfalls besser.
Was Bühne und Separation angeht sind sich beide aber sehr ähnlich und spielen für InEars auf einem extrem hohen Level. Wobei der IE800(s) auflösungstechnisch nochmal was voraus ist.
Aus diesen subjektiven Feststellungen leitet sich für mich ab, daß der IE300 der bessere inEar für harten Metal und schnelle Sachen ist, der IE800 aber bei Rock & Pop & Classic weiter die Nase vorne hat weil er dort eben noch eine Spur pompöser klingt.
Vergleich IE300 vs. FiiO FD5
Der FiiO spielt im gleichen Preisbereich und nutzt das gleiche Single-Dynamiker Konzept wie der Sennheiser. Auch hier sorgt lediglich ein einzelner dynamischer Treiber für den Sound. Das Konzept der beiden könnte aber unterschiedlicher nicht sein. Das fängt beim Design an. Der FiiO setzt auf edles Aluminium, der Senni auf leichten Kunststoff. Verarbeitet sind beide gleich gut. Der Senni ist deutlich leichter, der FiiO sitzt mir persönlich trotzdem noch besser im Ohr. Kabel beim IE300 ist gut, das FD5 Kabel ist besser. Allein die Tatsache, daß man die Stecker zur Buchse passend wählen und wechseln kann, spricht für den FiiO. Durch wechselbare Schallröhrchen lässt sich der FiiO auch noch klanglich etwas anpassen. Auch die Auswahl an Eartips ist fast doppelt so groß.
Und klanglich? Nun, hier wird es interessant.
Ich möchte nicht zu viel vorwegnehmen, das Review für den FD5 kommt ja noch. Nur ganz knapp:
Der FiiO ist technisch mindestens genauso gut – ist aber anders abgestimmt. Kurz: Während der Sennheiser IE300 unauffällig und angenehm abgestimmt ist, lässt es der FiiO FD5 mit mehr Schmackes mehr krachen.
Im Bass ist der IE300 deutlich linearer als der FiiO, welcher im Oberbass dicker spielt und in der Kontur nicht ganz so scharf ist. Der Senni spielt im Bass relaxter, ohne Tiefe, Druck und Punch missen zu lassen. Der FiiO langt im Bass dafür kräftiger zu, ist dicker.
In den Mitten finde ich beide recht ähnlich, wobei hier der FiiO etwas mehr Saft in Rhytmusgitarren pumpt. Gesang gefällt mir mit dem Senni besser, weil homogener in die restliche Instrumentierung integriert. Steht beim FiiO tlw. etwas zu sehr im Vordergrund.
In den Höhen finde ich den Senni natürlicher, der FD5 hat tlw. zurückhaltendere Becken und neigt eher zu Sibilanz. Der IE300 ist luftiger, leichter und hat eine größere Bühne. Separationsvermögen haben beide etwa auf dem gleichen Niveau.
Einen klanglichen Gewinner gibt es für mich hier nicht. Bei allem anderen gefällt mir der FiiO als Gesamtpaket besser.
Fotos
Fazit
Der Sennheiser IE 300 ist ein grundsolider Single-Dynamiker. Dieser InEar zeigt mit einem einzelnen dynamischen Treiber eindrucksvoll, wie konkurrenzfähig solche Systeme bei gekonnter Abstimmung gegenüber Multi-Treibersystemen oder generell einem BA-Treiber sein kann.
Sennheiser hat mit dem IE 300 einen klanglich unglaublich guten und universellen InEar geschaffen und tritt damit in direkte Konkurrenz zum IE800S aus eigenem Hause. Und nicht nur der Klang überzeugt: Auch Design, Verarbeitung und Kabel machen Freude. Was ihm allerdings fehlt, ist Charakter. Er kann alles, sticht aber nirgends heraus. Aber das will er ja auch nicht. Und genau das macht ihn dann wieder zu etwas Besonderem. Everybodys Darling eben.
Der IE300 bekommt meine Empfehlung im heiß umkämpften 300€ Preisbereich.