Höher – Schneller – Weiter!
Diese Maxime gilt natürlich in allen Bereichen, aber vor allem im High-End Audiosegment übertreffen sich aktuell die Hersteller mit ihren Geräten. Nachdem iBasso mit dem DX220 MAX quasi eine neue Geräteklasse definiert hat, legt Shanling nun nach und bringt einen waschechten Desktop Kopfhörerverstärker mit DAC und – das ist neu – eingebautem DAP. Damit nicht genug. Durch integrierten Akkubetrieb ist das Ding auch noch unabhängig von der Steckdose. Was der 3KG Bolide für rund 3.600€ kann – und was nicht – das lest ihr hier!


[Werbung] Der Shanling M30 wurde mir von NT-Global für diesen Test zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!


Der Shanling M30

Shanling baut feine DAPs. Ich fand sowohl den M3s als auch den M0 absolut gelungene Geräte. M6 & M8 kenne ich – noch – nicht, ich denke hier wird sich auch ein Test nicht vermeiden lassen. Aber schauen wir nun auf den Shanling M30.
Als Shanling dieses Gerät ankündigte, rechnete ich schon mit einem Preis jenseits der 2.000€. Daß es nun bei rund 3.600€ liegt, ist schon heftig. Da muss was kommen…

Versuchen wir als erstes mal rauszufinden, für wen oder was der M30 gedacht ist. Shanling sagt, es handele sich um einen reinen Desktop DAC mit Verstärker und Digital-Player. Aber warum dann Batteriebetrieben? Shanling sagt, damit die Stromversorgung sauber und störungsfrei ist. Hmm, okay. Also läuft der M30 immer über die Akkus, das Netzteil lädt ihn nur auf. Wirklich mitnehmen möchte diesen Boliden sowieso niemand. Viel zu schwer und groß – auch wenn Shanling den passenden Koffer gleich mitliefert. Okay, ein Desktop DAC/AMP also. Aber warum sieht er dann aus wie ein Sony WM1A gigantomisierter DAP? Dazu sagt Shanling nichts…

Egal…
Kümmern wir uns mal um die Fakten. Was macht ihn so besonders? Also abgesehen von der imposanten äußeren Erscheinung. Als erstes wäre da das modulare Konzept zu nennen. Der M30 besteht aus einem Basissystem, in das verschiedene Module integriert werden. Konkret sind das im Auslieferzustand:

  • Digital Player Modul (DAP): 6“ Full HD Touchscreen, Qualcomm 430 CPU
  • DAC Modul: AKM AK4497 x 2 & Ti
  • Tube Modul: KORG 6P1 x 2
  • AMP Modul: ADA4610-2 x2 & Ti BUF634 x 4
  • Akku Modul: 16.500 mAh

Was dem geneigten Audiophilen direkt auffällt: Der DAC Chipsatz ist nicht der neueste, selbst im FiiO M15 ist ein neuerer AKM Chip verbaut (AK4499EQ). Wühlt man tiefer in den Tec-Facts findet man noch mehr Komponenten, die das Prädikat „Flaggschiff“ aktuell eigentlich nicht verdienen. Also mitnichten die Créme dé la Créme verbaut? Hmm. Dazu sei angemerkt, daß es nicht immer das Neueste sein muss, um beste oder bessere Ergebnisse zu erzielen. Die Erfahrung in der Entwicklung von High-End Komponenten und deren gekonnte Zusammenstellung und Abstimmung macht hier den Unterschied.

Im aktuellen Auslieferungszustand sind aber sicherheitshalber noch zwei seitliche Slots frei. Logische Folgerung des Konzepts: Es werden in Zukunft weitere Module angeboten werden. Die Möglichkeiten dürften endlos sein: Ergänzungen, Upgrades von bestehenden Modulen, neue Technologien etc. Vielleicht kommt ein ESS DAC? Vielleicht kann man den zusätzlich einbauen? Und hätte dann die Wahl zwischen AKM und ESS Sound? Wir sind gespannt.

Ziemlich cool ist die Wahl zwischen Transistor oder Röhrensound. Ja, richtig. Neben einem Transistor-Amp bietet der M30 auch warmweichen Röhrensound aus KORG 6P1 Röhren.


Design & Verarbeitung

Der Shanling M30 sieht im Grunde aus wie ein zu groß geratener DAP. Zusätzlich herrscht im Designteam anscheinend eine Vorliebe für die Sony Player. Die Oberfläche des Aluminiumgehäuses und die Formensprache mit den ausgefasten Seiten und der damit entstehenden Schnittfläche aus Halbkreis und Rechteck ist schon sehr ähnlich… Der riesige goldfarbene Volumeregler erinnert hingegen stark an Sonys DMP-Z1. Überhaupt scheint dieser für den M30 Pate gestanden zu haben, folgt er doch der gleichen Philosophie (DAC/AMP & DAP) – von der Modularität mal abgesehen. Obwohl das Design schon stimmig ist, hätte ich mir etwas mehr Eigenständigkeit gewünscht.

Trotzdem ist das Erscheinungsbild des Shanling M30 natürlich höchst imposant und gelungen. Alle Buchsen sind sauber und zentriert eingefasst, der riesige Volumenregler ist ein Eyecatcher. Die Bedienung ist allerdings gewöhnungsbedürftig: Der Regler ist zu einem Drittel im Gehäuse versenkt, so daß man ihn nicht komplett umfassen kann. Ein Kompromiss zugunsten des Designs.

Das DAC Modul besitzt zwei runde Schaugläser, durch die man den DAC-Chips bei der Arbeit zusehen kann. Die im Glas eingelaserten Schriftzüge werden farblich illuminiert – das sieht Klasse aus. Der Farbton lässt sich im Einstellungsmenü über Schieberegler individuell zusammenmischen. Auf der Frontseite mit den Anschlüssen befindet sich eine digitale Lautstärkeanzeige. Apropos Lautstärke: Der Regler geht in eine Art Standby nach einer gewissen Zeit. Um dann die Lautstärke ändern zu können, genügt vorher ein Druck auf den Regler, um das System wieder empfänglich für Eingaben zu machen.


Verpackung & Lieferumfang

Ein Gerät für 3.600€ will selbstverständlich standesgemäß transportiert werden. Shanling hat deshalb auf einen bunten Umkarton verzichtet und liefert den M30 gleich in einem ordentlichen Koffer aus. In dessen Innern befindet sich eine passend ausgesparte Schaumstoffeinlage für das Gerät nebst Zubehör. Neben USB Kabel und Netzteil legt Shanling auch gleich das passende Werkzeug zum Modulwechsel bei – so muss der handwerklich unbegabte HiFi-Fan nicht erst in den Baumarkt fahren. Wobei: Standard-Bits sollte jeder zuhause haben. Ein Minipömpel zum Raussaugen der Module ist ebenfalls dabei.

Der Gag am Anfang: Im braunen Transport-Karton mit dem Koffer liegen weiße Stoffhandschuhe. Das Gerät will schließlich sanft angefasst werden – möglichst ohne Fingerabdrücke zu hinterlassen.

Zusätzlich liefert Shanling noch einen Laptop-Stand mit, auf den der M30 platziert werden kann. Im Grunde eine gute Idee. Denn aufgrund des Displays macht es Sinn, den M30 angewinkelt schräg zu stellen, denn sonst ist das Display schlecht abzulesen und zu bedienen. Leider sieht man die Zweckentfremdung des Notebookständers auf Anhieb. Die Haltenasen ragen unschön über die Anschluss-Front hinaus. Hier musss man aufpassen, daß man weder die Buchsen noch den Lautstärkeregler überdeckt. Ganz ehrlich: Pragmatismus ja – schön daß Shanling an so etwas denkt und eine Lösung beilegt. Aber für 3.6K hätte man schon etwas Individuelleres machen können. So wirkt es auf mich leider nur wie ein Schnellschuss oder eine Notlösung.


Funktionen

System
Auf dem M30 läuft ein geschlossenes Android-System, das für optimale Klangqualität, schnelle Performance und reibungslosen Betrieb umfangreich angepasst wurde. Es verfügt über eine breite Unterstützung für die Wiedergabe lokaler Dateien und eine Reihe von Musik-Streaming-Diensten.

Erwähnenswert ist, daß es ein geschlossenes System ist. Mal eben schnell die Lieblingsapp installieren ist nicht. Nur bei Updates – und wenn es Shanling möchte – werden weitere Dienste ergänzt.

Insgesamt hinterlässt das System bei mir einen guten Eindruck, auch wenn viele Kleinigkeiten noch nicht rund sind. Hier bleibt die Hoffnung auf künftige Updates.

DAC
Mit dem AKM AK4497 ist ein Leistunfgsfähiger Dual Dac verbaut, der keine Wünsche offen lässt. Da auch das DAC Modul tauschbar ist, können Käufer bei entsprechendem Angebot an neuen Modulen (wenn sie denn kommen) ihren Lieblings DAC wählen. Der AKM ist aber für den Start eine gute Wahl und bietet alles, was man sich vorstellen kann. Ich vermisse nichts.

Die Musik-App
Da der M30 auch allse Funktionen eines klassischen DAP (Digital Audio Player) mitbringt, ist selbstverständlich ein leistungsstarker Musikplayer an Bord. In diesem lässt sich entweder über Ordnernavigation oder per Musikbibliothek durch die Musiksammlung browsen. Die Bedienung geht flott und ruckelfrei von der Hand. In der Albumansicht scrollt man smooth durch alle Alben.

Das Android ist lt. Shanling stark angepasst, trotzdem finden sich einfache Schnitzer. So gibt sich im Einstellungsmenü der M30 als Telefon aus. So etwas sollte man besser im Griff haben.

Musikquellen
Der M30 spielt Musik vom internen Speicher (32GB), von der microSD Karte (bis 2TB), USB-Festplatten (oder USB_Sticks), beherrscht DLNA und die verbreiteten Streamingdienste.

Akuell sind folgende Dienste verfügbar: Spotify, Tidal, Quobuz, Deezer, QQ Music – und weitere sollen folgen.

Bluetooth & WLAN
Auch Bluetooth ist an Bord, aktuell leider nur in Version 4.1 – warum man nicht die aktuelle Funktion 5 implementiert, kann ich leider nicht nachvollziehen. Trotzdem funktioniert das BT störungsfrei – und zwar in beide Richtungen. So kann der M30 entweder als BT Receiver von Smartphones oder als Sender zu Kopfhörern funktionieren.

Ebenso ist Apples Airplay dabei – was auf Anhieb funktioniert.


Anschlüsse

Eingangs- und Ausgangsseitig ist der M30 reich bestückt. Shanling hat jeden nur erdenklichen Kopfhörerausgang auf der Frontblende untergebracht: 3,5 & 6.35 mm Klinke, 2.5, 3.5 & 4.4 mm Balanced TRRS und einen 4-pol XLR Ausgang. Damit sollte wirklich jeder Kopfhörer Anschluss finden.

In Empfang nimmt der M30 Musik entweder analog via Cinch oder digital über Coax, USB als DAC, USB-Stick (ein USB-microSD Leser liegt bei) oder Festplatte.
Zusätzlich zu den Eingängen verfügt der M30 auch über einen Cinch- sowie XLR-Ausgang um als Vorverstärker zu agieren.

Bluetooth funktioniert in beide Richtungen, DLNA Server werden erkannt und Airplay ist auch mit an Bord.


Akku

Keine Angst vor teurem oder aufwändigem Akkutausch. Denn die fünf Panasonic Akkus vom Typ 18650 sind nicht fest verbaut und können deshalb bei Bedarf einfach und kostengünstig ersetzt werden. Die Gesamtkapazität beläuft sich auf beeindruckende 16.500mAh, welche eine Laufzeiten bis zu 17,5h ermöglicht.


Klang

Kommen wir zum Wesentlichen. Und hier schlägt die Stunde des M30. Was klanglich geboten wird, ist schon vom Feinsten und dürfte selbst höchste Ansprüche zufrieden. Je nach Vorlieben bietet das Gerät erst einmal drei Klangeinstellungen: Bypass, Transistor & Röhre. Mir gefällt der Transistor Modus am Besten. Meistens. Bei Metal mag ich halt den warmen Röhrensound nicht ganz so. Es sein denn, ich höre alte Produktionen. Dann kommt die Röhre schon super, gibt dem Ganzen etwas mehr Substanz und Plastizität.

Bei modernem Metal mag ich aber lieber die eher cleane Präsentation des Transistors. Und hier begeistert der M30 mit einer überragenden Soundqualität. Transparenz auf höchstem Niveau, tolle Instrumentenseparation und Detaildarstellung.

Jederzeit genug Power um z.B. auch den HEDD anzutriben, aber filigran genug für einen BA-InEar. Der M30 ist unheimlich anpassbar, 4 Gainstufen machen es möglich. Wenn es so etwas wie einen „analogen“ Sound gibt, dann findet man ihn hier.

Letzten Endes fehlt mir aber auch der Vergleich zu Geräten aus der gleichen Preisklasse. So bleibt schwer zu sagen, ob er sein Geld wert ist. Er klingt jedenfalls genial, Musikhören macht unendlich Spaß. Ich habe stundenlang mit dem HEDD, dem Senni HD800S und dem DCA Aeon 2 Noire gehört.

Aber natürlich kann man vergleichbaren Klang auch für weniger Geld bekommen. Im direkten Vergleich gefällt mir sogar der ESS Sound aus meinem iBasso MAX noch eine Spur „besser“. Mag aber auch daran liegen, daß ich ein Faible für den ESS Klang habe. Ich mag die technische Finesse und die noch detailliertere Feinauflösung und Transparenz einfach.


Fazit

Shanling hat hier einen Superlativ sondergleichen rausgehauen. Der M30 ist das erste Gerät dieser Art, was einen „richtigen“ Desktop Kopfhörerverstärker und DAC mit einem DAP kombiniert. Und das eröffnet unzählige Einsatzgebiete. So kann der M30 nicht nur auf dem Schreibtisch oder an der Hauptanlage gehört werden, sondern eben auch kurzerhand auf der Terrasse, dem Gästezimmer, Hotel oder sonstwo: Autarker Betrieb dank DAP und Akkus macht es möglich.

Der M30 wird spalten: Die einen werden ihn feiern, andere werden keinen Mehrwert im Vergleich zu Desktop KHV und separatem DAP sehen. Wie immer bei neuen Geräten wird die Zukunft zeigen, ob sich dieses Geräteklasse ihre Nische erobern wird oder nicht.


Shanling M30 | Bewertung

9.5

Klangqualität

10.0/10

Verarbeitung

10.0/10

Bedienung/Funktion

9.5/10

GUI/Software

9.5/10

Preis/Leistung

8.5/10