[Werbung] Oft habe ich von den Etymotic ER4 gelesen. Die als neutral bekannten und geschätzten InEars gibt es bereits seit mehreren Generationen.
Angefangen hat alles 1991 mit dem Etymōtic ER4, welcher gern als erster InEar überhaupt bezeichnet wird. Etymōtic gilt somit als Pioneer der modernen InEars und beschäftigt sich neben der Entwicklung und Fertigung von InEars auch mit Gehörschutz und akustischen Messprodukten. 
Das Nachfolgemodell des ER4 ist dann endlich – 25 Jahre später –  im Jahr 2016 in zwei Abstimmungen erschienen:
Der ER4SR, welcher konsequent linear ist (das SR steht für „Studio-Reference“) und der ER4XR („Extended Response“) – welcher immer noch linear ist, aber zusätzlich eine leichte Bassanhebung verpasst bekommen hat.
Ich habe beide gehört und der XR kommt meiner Vorstellung eines neutralen Hörers am nächsten. Also, schauen hören wir uns diesen doch einmal näher an!


Allgemeine Beschreibung

Beim ER4XR handelt es sich um einen hochauflösenden In-Ear-Kopfhörer mit einem einzigen Balanced-Armature Treiber, der für kompromisslose Genauigkeit bei gleichzeitiger moderater Anhebung der Bässe entwickelt wurde. 
Das Besondere: Beide Treiber – also der linke und rechte – werden genau vermessen und handselektiert, bevor sie als Set zusammengeführt und verkauft werden. So haben beide Gehäuse auch jeweils eine Seriennummer.
Die individuellen Frequenzgänge sowie die Kanalabweichung sind übrigens auf einer beiliegenden Pappkarte abgedruckt:


Lieferumfang und technische Daten

Der Lieferumfang ist reichhaltig und alles kommt in einem großen Pappschuber. Neben den InEars befindet sich folgendes in der Schachtel:

  • 1 Paar Etymōtic ER4XR
  • Kabel, 1.5m
  • 3.5mm auf 6.3mm Adapter
  • verschiedene Ohrpasstücke
  • Cerumenfilter
  • Werkzeug zum Wechsel der Filter
  • Kabelclip
  • Transportcase
  • Papierkram und Zertifikat der Frequenzmessung

Technische Daten

  • Frequenzgang: 20Hz – 16KHz
  • Beide Kanäle im Bereich 100Hz – 10kHz auf 1dB Genauigkeit abgestimmt
  • Isolation: 35-42dB
  • Impedanz: 45Ω
  • Empfindlichkeit: 98dB SPL @ 1kHz
  • Max. SPL: 122dB
  • Gefertigt und feinabgestimmt in den USA

Bemerkenswert hier die extreme Isolation und die hohe Empfindlichkeit!


Design & Verarbeitung

Die archaische Treibergehäuse zusammen mit den Tri-Flange Tipps sind schon eine charakteristische Erscheinung. Irgendwie der Inbegriff eines InEars. Aber auch gleichzeitig eine mulmige Drohung: Ich gehe tief – sehr tief – in Dein Ohr! Davor hatte ich tatsächlich Respekt, konnte mir nie so richtig vorstellen, das diese Dinger komfortabel im Ohr sitzen. Dazu unten aber mehr…

Die winzigen, schlanken Treibergehäuse selbst sind aus blauem, eloxiertem Metall und machen einen ausserordentlich robusten Eindruck. Ebenso das Kabel mit den verdrehsicheren MMCX Steckern. Alles grundsolide auch für Profi-Ansprüche hergestellt.

Das Kabel selbst ist bis zum Splitter dick, weich und schön flexibel. Kuddelmuddel in der Tasche ist fast ausgeschlossen. Ab dem Splitter gehen zwei dünnere, geflochtene Zuleitungen bis zum Ohrhörer. Der untere, dickere Teil des Kabels ist überaus unempfindlich gegenüber Microphonie. Die dünnen Zuleitungen sind jedoch recht empfindlich bei Berührung und geben diese ziemlich unverblümt an das Ohr weiter.

Das mitgelieferte Case ist groß und verfügt über viele Taschen für das Zubehör. Ist das auf den ersten Blick absolut löblich und eine gute Detaillösung, so bevorzuge ich doch kleinere Cases zum Schutz bei Transport und Nichtnutzung. Auf einer Dienstreise brauche ich nämlich weder Ersatztipps noch das Reinigungswerkzeug – da wäre mir dieses Case zu sperrig.


Tragekomfort

Bei ersten Einsetzen war es etwas ungewohnt, da sie wirklich TIEF im Ohr sitzen. Aber, wer hätte es gedacht!  Die Dinger sitzen mit den großen Tri-Flanges fantastisch in meinen Ohren. Sie sind innerhalb von Sekunden eingesetzt und bieten einen perfekten Seal und damit eine ausserordentliche hohe passive Geräuschisolation.
Ich kann sie gut mit dem Kabel nach unten tragen und habe keine Probleme damit. Aber noch besser sitzen sie mit der Kabel über dem Ohr Methode. Dadurch wird der Sitz noch sicherer und die Kabelbewegungen und damit die Mikrophonie nimmt ab. 


Klangqualität

Die grundsätzliche Abstimmung der ER4XR lässt sich bereits anhand des Messschriebes erahnen: Der InEar ist definitiv sehr neutral mit ganz leichter Bassanhebung und einem Anhebung im Bereich um 3kHZ und rund 5dB.
Die Idee dahinter ist folgende: Das menschliche Aussenohr hebt aufgrund seiner anatomischen Form genau diesen Frequenzbereich ebenfalls um ca. 5dB an. 
Da durch InEars dieser Effekt natürlich umgangen wird – der InEar sitzt ja direkt im Ohrkanal – besitzt der 4XR genau diese  Anhebung, um das zu kompensieren.

Gehört habe ich den InEar sowohl am RHA DACAMP L1 als auch am stationären KHV. Aber auch direkt am iPhone spielt er laut und kräftig genug. Als ich den präzisen, direkten und unverfälschten Klang das erste Mal auf der CanJam gehört habe, war ich bereits fasziniert. Zuhause, in aller Ruhe und angeschlossen am Questyle CMA400i, zeigen die kleinen Stöpsel aber erst so richtig, was sie draufhaben.

Was sofort positiv auffällt ist die sehr gute Kanalgleichheit. Die Stereomitte sitzt exakt auf meiner Nasenspitze – hier zahlt sich die Selektion der Treiber aus.

Den Klang zu beschreiben fällt schwer, denn diese InEars sind so dermaßen unbestechlich, daß man es einfach bei „Passt so!“ belassen könnte und gut ist. Sie sind einfach komplett ehrlich und erinnern an gute Studiomonitore.
Durch die Bassanhebung klingen Sie aber zusätzlich auch noch sehr angenehm, nicht nach gefühllosen Abhör-Werkzeugern.

Der ER4XR reagiert ausgesprochen gut auf Klanganpassungen durch den RHA L1. Gerade der Bass kann so noch einen Tick erhöht werden ohne an Qualität zu verlieren.

Ich versuche mich mal an den wichtigsten Klang-Eckpfeilern im Detail:

Bass
Der Bassbereich ist – trotz Anhebung – für meinen Geschmack manchmal immer noch einen Ticken zu neutral. Bei Rock & Metal gibt es genügend bassarme Produktionen, bei denen er etwas mehr zulangen dürfte. Ist aber nicht sein Ziel. Sein Ziel ist, den Bass so wiederzugeben, wie er auf der Aufnahme ist – nicht mehr und nicht weniger.
Was der Bassreproduktion aber an subjektiver Quantität fehlt, wird durch unglaubliche Schnelligkeut und straffe Kontur wettgemacht. Man könnte auch sagen der Bass ist staubtrocken. So hört man bei manchen älteren Produktionen kein schwammiges Bassdrum-Geboller, sondern sauber definierte Kicks. 

Mitten
Die Mitten spielen homogen und klar, transparent und mit massig Details. 
Für Metal und Rock eine gute Voraussetzung, um die teils dichten Produktionen in diesem Genre trennscharf differenzieren zu können.

Höhen
Die Höhen sind glockenklar und extrem sauber, aber niemals zu spitz sondern irgendwie trotzdem relaxed. Die oberen Frequenzen haben einen „Open-Air“ Klang, sind schön luftig und hochauflösend. Gerade Becken klingen sehr natürlich und echt und haben nur metallische Schärfe wenn sie es auch haben sollen.

Bühne
Der ER4XR bietet eine sehr homogene Bühnenabbildung und gute Staffelung im Raum ab. Für meinen Geschmack hat er genau die richtige Dosis an Weiträumigkeit und präsentiert alle Instrumente sehr realistisch im Raum.

Separation
Messerscharf. Der ER4XR kann aufgrund seines neutralen und hoch-detaillierten Charakters jegliche Produktion sauber zerlegen. Instrumentalspuren zu verfolgen ist ebenso faszinierend wie den verschiedenen Stimmfarben im Gesang zu lauschen.
Was für ein feines Präzisionswerkzeug!

Isolation
Die Etys glänzen mit einer passiven Geräuschreduzierung, die wohl im InEar Bereich einmalig ist. Etymotic gibt die Geräuschdämmung mit 35dB – 42dB an. Und in der Tat sind das die am besten abschirmenden passiven InEars die ich kenne.
Ebenso fantastisch ist die passive Isolation:
Der Sozius im Ehebett bekommt keinen Mucks mit.


Weitere Bilder:

[ngg_images source=“galleries“ container_ids=“97″ display_type=“photocrati-nextgen_basic_thumbnails“ override_thumbnail_settings=“0″ thumbnail_width=“120″ thumbnail_height=“90″ thumbnail_crop=“1″ images_per_page=“20″ number_of_columns=“0″ ajax_pagination=“0″ show_all_in_lightbox=“0″ use_imagebrowser_effect=“0″ show_slideshow_link=“0″ slideshow_link_text=“[Zeige eine Slideshow]“ order_by=“sortorder“ order_direction=“ASC“ returns=“included“ maximum_entity_count=“500″]


Fazit

Man muss sich drauf einlassen, aber dann erblühen diese kleinen InEars regelrecht. Wo man bei anderen Kopfhörern oft von bestimmten, herausstechenden Eigenschaften in einem bestimmten Frequenzbereich schwärmt, kann man hier keinen einzigen Bereich als herausragend bezeichnen, denn alles klingt schnurgerade und grundehrlich.

Aus diesem Grund hat es in diesem Test auch keine Musikbeispiele gegeben. Der ER4XR beherrscht im Grunde alle Genres, der Rest – bzw. wie man das servierte dann würzen möchte – ist Geschmacksache und kann leicht mittels EQ den persönlichen Vorlieben angepasst werden. Der neutrale und verbindliche Charakter der Mini-Hörer ist jedenfalls sehr faszinierend und langzeittauglich.

Eine Bewertung ist mir schwer gefallen, denn die Frage ist: Was ist meine persönliche Lieblingsabstimmung und 10 Punkte wert? Wenn mein Ideal ein neutraler Klang wäre, so hätte der ER4XR diese Höchstnote mit Sicherheit verdient. Doch bei allem Respekt vor dieser Neutralität, der ausgewogenen Natürlichkeit und der Klarheit des Klanges, bevorzuge ich doch meist einen Sound mit etwas mehr Substanz in den Bässen.

Trotzdem trenne ich mich nur ungern wieder von den Etys, denn sie würden sich außerordentlich gut als künftige Referenz machen!


Der Etymōtic ER4XR wurde mir für diesen Test leihweise zur Verfügung gestellt.
Vielen Dank an dieser Stelle!

Etymotic ER4XR | Bewertung

9.5

Sound

9.4/10

Verarbeitung

9.5/10

Tragekomfort

9.5/10

Preis/Leistung

9.4/10

Pros

  • Absolut akkurate Musikwiedergabe
  • Tolle Passform
  • Beste Materialqualität