Austrian Audio – eine neue Marke in der Kopfhörer-Szene? Im Grunde schon, aber so ganz neu ist die Firma nicht. Als der östereichische Traditionshersteller AKG im Jahr 2017 seine Tore in Wien schloss, gründeten ehemalige AKG Mitarbeiter die Firma Austrian-Audio. Ganz in der Tradition des ehemaligen Arbeitgebers sollten hier erstklassige Audioprodukte entwickelt und produziert werden. Nachdem man bereits zwei Mikrofone aus der Taufe hob, liegt mit dem Hi-X55 der erste Kopfhörer des Unternehmens vor. Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, in den Overear reinzuhören und meine Eindrücke in Form eines Erfahrungsberichtes hier weiterzugeben.


[Werbung] Der Hi-X55 wurde mir für diesen Test leihweise von Austrian Audio zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!


Allgemeine Beschreibung

Der Hi-X55 ist eine komplette Eigenentwicklung und als geschlossene Studio-Konstruktion auf den Einsatz im professionellen Bereich ausgerichtet. Zum Einsatz kommt ein 44mm „High Excursion“ Treiber, der dem Kopfhörer nicht nur seinen Namen (HiX) verleiht, sondern gemäß Austrian-Audio auch über eine in dieser Preisklasse unübliche Kraft von 1 Tesla verfügt. Das einseitig gesteckte, abnehmbare Kabel ist gestreckt und mit 3m auch längenmäßig auf den Einsatz im Studio ausgelegt. Die Ohrmuscheln sind oval. Mit einem Preis von 299€ ist der Kopfhörer nicht billig, befindet sich aber noch in einem bezahlbaren Bereich.


Lieferumfang und Verpackung

Der Hi-X55 kommt in einer bedruckten Pappschachtel mit aufklappbarem Deckel, welcher mit einem schmalen Klettband zusammen gehalten wird. Der Lieferumfang ist übersichtlich: Neben dem Kopfhörer befindet sich nur noch das Kabel mit 3.5mm Stecker und Schraub-Adapter auf 6.3mm Stecker und ein dünner Stoffbeutel in der Schachtel. Nichts zu meckern, bis auf die Tatsache dasß man gerne noch ein kurzes Kabel für die Anwendung am Schreibtisch oder mobil hätte dabeilegen können.


Tragekomfort und Verarbeitung

Der Kopfhörer soll als Werkzeug in einem professionellen Umfeld durchaus einige Stunden getragen werden können. Das geht natürlich nur, wenn ein hoher Tragekomfort gewährleistet ist. Und hier gibt es keinerlei Beanstandungen. Die Ohrpolster sind superweich und liegen sehr entspannt auf, der Kopfbügel ist durch das mittels Klettverschluss angebrachte dicke Polster reichlich bequem.

Die Verarbeitung ist ebenso frei von Kritik. Es kommt Metall und Kunststoff zum Einsatz. Die Verwendung von Kunststoffen ist dem Leichtbau geschuldet, der X55 wiegt leichte 305 Gramm. Die verwendeten Materialien machen allesamt einen sowohl robusten wie auch haltbaren und auch haptisch hochwertigen Eindruck. Was mir nicht gefällt, ist die offene Zuleitung in die Ohrmuscheln. Das ist eine mögliche Schwachstelle, gerade im professionellen Umfeld wären die Kabel meiner Meinung nach besser komplett innen verlegt worden.

Der leichtgängige Faltmechanismus macht ebenfalls einen soliden Eindruck. Der Kopfhörer kann so platzsparend im Rücksack verschwinden. Ein Hardcase statt des Beutels im Lieferumfang hätte das Gesamtpaket perfekt angerundet, die Tasche bietet wenig Schutz.


Technische Daten

  • Frequency range: 5 Hz – 28 kHz
  • Sensitivity: 118dBspl/V THD (@ 1kHz): < 0.1%
  • Impedance: 25 Ω
  • Input Power: 150 mW
  • Cable (detachable): 3m
  • Connector: 3.5mm (1/8”)
  • Adapter (included): 3.5mm to 6.3mm (1/8” to 1/4″)
  • Dimensions: 300 x 170 x 85 mm
  • Weight (without cable): 305g

Klangqualität

Kommt man von eher etwas gesoundeten Kopfhörern aus dem HiFi Bereich, haben es ehrliche und „neutrale“ Studiokopfhörer immer etwas schwer. Das musste ich bereits beim Neumann NDH20 beobachten – und so ist es auch hier wieder. Der erste Eindruck ist: Oh mann, der ist flach. Der zweite Eindruck nach einer halben Stunde: Wow, ist der ehrlich! Hier zeigt sich, wie wir es gewöhnt sind, unseren Sound etwas oben und untern rum aufzupeppen. Da ist nix schlimmer dran. Aber im Grunde lenkt es doch vom Wesentlichen ab. Das ist wie bei Zucker. In unserer verzuckerten Welt schmeckt alles mit weniger Zucker erstmal total fad – bis man sich daran gewöhnt hat, bis die Geschmacksknospen wieder genau hinschmecken – und plötzlich Aromen wahrnehmen, die Ihnen vorher verborgen geblieben sind. Und ganz genau so empfinde ich das auch beim X55. Meine Empfehlung: Ignoriert den ersten Eindruck. Gebt ihm Zeit, hört eine Weile mit ihm. Euer Gehör wird sich an das lineare und auf den ersten Blick langweilige Klanggeschehen einlassen und mit der Zeit „rekalibriert“. Was danach folgt, ist eine Klangwahrnehmung in ungewohnter, aber sehr ganzheitlichen Präsentation.

Meine folgenden Eindrücke sind erst nach einigen Tagen entstanden, und in dieser Zeit habe ich keine anderen Kopfhörer benutzt. Zuspieler war der iBasso DX220 Max.

Bass
Logisch daß der X55 kein Bassbomber ist. Eine Spassbremse ist er aber auch nicht. Denn fehlenden Bass kann ich dem Kopfhörer nicht ankreiden. Im Tiefbass reicht er weit hinunter, im Oberbass ist er druckvoll und der Attack ist punchig – so wie es sich auch für adäquate Studiomonitöre gehört. Für meine Lieblingsmusik bedeutet das: Deathmetal und Metalcore meistert es super, denn hier kommt es in erster Linie auf klar konturierte und schnell ansprechende Transienten – vor allem im Bassdrum-Bereich – an. Und das meistert der Kopfhörer mit Bravur. Knackig und punchig brettern hier die Doublebass-Salven ins Ohr – eine echte Freude. Anders bei Hardrock oder auch Classic-Rock. Hier hat man es nicht selten mit schwachen Produktionen zu tun, so daß der Bass teilweise etrwas mehr Pegel vertragen könnte. Da der X55 aaber hervorragend auf einen EQ reagiert, stellt das im Einzelfall kein Problem dar.

Mitten
In den Mitten gibt sich der österreichische Tonmeister geradlinig und vehement, bringt jedes noch so kleine Detail eines Gitarrenriffs gekonnt ans Trommelfell. Man könnte fast die einzelnen Spuren zählen. Gesang ist authentisch, dürfte bei Singer-Songwriter Kram aber etwas mehr Wärme und Seele vertragen. Ansonsten sehr vielschichtig und farbenfroh, Gitarren sind ordentlich fleischig und haben Substanz.

Höhen
Tjaa, die Höhen. Ich denke, hier haben wir die Paradedisziplin. Unglaublich fein auflösend und transparent spielt der X55 in diesem Bereich. Becken klingen sehr detailliert und die Treiber fächern die verschiedenen Obertöne transparent und nachvollziehbar auf. Trotz der hohen Detailfülle und der klaren Darstellung sind die Höhen niemals nervig oder ansatzweise irgendwie anstrengend

Bühne
Tadellos, goldene Mitte würde ich sagen. Nicht übertrieben breit, aber ehrlich und nachvollziehbar. Für einen geschlossenen Kopfhörer sehr authentisch und luftig.

Separation & Auflösung
Wie bereits angedeutet, verfügt der X55 über eine vorbildliche Instrumentenseparation. Mehrere Spuren in pompösen Produktionen zu analysieren, gelingt auf Anhieb. Klare Trennung von verschiedenen Gitarren ist möglich und auch mehrstimmiger Gesang ist durchschaubar. Obertöne von Toms sinf klar und deutlich zu vernehmen und ein fein rasselnder Teppich kann deutlich vom Rest des Snareklanges (Attack, Body, Sustain) wahrgenommen werden.

Isolation
Die passive Isolation ist sehr gut – klar, so soll es auch sein bei einem Studiokopfhörer. Aber auch für den Einsatz im lauten Großraumbüro oder im ÖPNV ist das natürlich von Vorteil. Die weichen Polster dichten vorbildlich ab – und das in beide Richtungen.


Fotos


Fazit

Der Austrian Audio Hi-X55 haut in die gleiche Kerbe wie der Neumann NDH20. Als Studiokopfhörer beweist er wahre Monitorqualitäten und ist ein überaus präzises Werkzeug für die Arbeit im Studio oder unterwegs. Als vorwiegend audiophil genutzter Kopfhörer überzeugt er durch einen linearen Frequenzverlauf, der für alle Musikarten gleichermaßen gut geeignet ist. Vorraussetzung hier ist aber, daß man eine neutrale Wiedergabe mag. Denn im Vergleich zu reinen HiFi Kopfhörern ist der X55 deutlich weniger „spaßig“ abgestimmt.

Wer sich aber einmal an diese ehrliche Klangsignatur gewöhnt hat, wird sie genießen. Und wird belohnt durch einen entspannenden und langzeittauglichen Klang einerseits und einer hohen Präsision und Auflösung andererseits.


Austrian Audio Hi-X55 | Bewertung

9.2

Sound

9.1/10

Verarbeitung

9.2/10

Komfort

9.3/10

Preis/Leistung

9.0/10

Pros

  • Neutrale Abstimmung
  • Hohe passive Abschirmung
  • Gute Verarbeitung
  • Hoher Tragekomfort

Cons

  • Kein symmetrischer Betrieb möglich