Wer sich nur annähernd ernsthaft mit Kopfhörern beschäftigt, der kommt an der amerikanischen Firma Grado nicht vorbei. Mich hat das rustikale Design und die einfachen Schaumstoffe immer abgeschreckt. Bis jetzt. In Essen auf der Headphoneshow habe ich alle Grados probegehört und einer ist mir so positiv herausstechend aufgefallen, daß ich ihn kurzerhand zum Testen haben musste. Hier könnt ihr meine Erfahrung mit dem Grado „The Hemp“ nachlesen.


[Werbung] Der Hemp wurde von mir mit Rabatt vom deutschen Vertrieb erworben. Vielen Dank!


Grado

Die Wurzeln von Grado reichen zurück bis ins Jahr 1953, als Joseph Grado die Firma in Brooklyn gründete. Mit viel Leidenschaft begann er, hochwertige Tonabnehmer für Plattenspieler herzustellen. Schon damals war sein Ziel klar: Er wollte Musikliebhabern ein unvergleichliches Klangerlebnis ermöglichen.

Im Laufe der Jahre verlagerte sich das Geschäftsfeld von Grado immer mehr hin zu Kopfhörern. Und das aus gutem Grund! Denn ihre Produkte waren einfach unschlagbar – sowohl im Klang als auch im Tragekomfort. Die Marke wurde zum Synonym für audiophile Qualität bei Kopfhörern.

Das Besondere an Grado ist, dass sie ihre Kopfhörer noch heute wie damals in Brooklin von Hand produzieren. Jeder einzelne Kopfhörer durchläuft zahlreiche Tests und Qualitätskontrollen, um sicherzustellen, dass du nur das Beste vom Besten bekommst.

Dank ihrer jahrelangen Erfahrung und ihres innovativen Denkens hat sich Grado einen festen Platz in der Welt des Hi-Fi-Equipments gesichert. Ihre Produkte sind bei Musikliebhabern weltweit äußerst beliebt und werden von vielen als absoluter Maßstab angesehen.


The Hemp

Grados The Hemp (eng.: Hemp = Hanf) ist ein Kopfhörer aus der Limited Serie. Nomen est Omen: Der Korpus der Ohrschalen ist aus einer Mischung aus Hanf-Fasern im Verbund mit Ahorn gefertigt. Der stark komprimierte Hanf erzeugt laut Grado einen Dämpfungseffekt zwischen den Fasern. Dies führe zu einem volleren Klang im Bassbereich und einer bis in die höchsten Frequenzen smoothen Höhenwiedergabe.

Grado experimentiert viel und oft mit verschiedenen Korpusmaterialien und kreiert im Zusammenspiel mit dem selbst entwickelten Treibern so verschiedene Klangabstimmungen. Apropos Treiber: Diese werden ebenfalls in Brooklyn hergestellt und paarweise gemacht. So weisen sie im Falle des Hemp lediglich einen Unterschied um maximal 0.5dB auf, was eine sehr gute Kanalgleichheit gewährleistet.


Lieferumfang und Verpackung Grado The Hemp

Understatement pur: Der Karton könnte einfacher nicht sein. Dafür ist er nachhaltig weil vollständig aus Pappe. Ein nüchterner weißer Karton, dezent bedruckt. Der Lieferumfang ist ebenso spartanisch: Kopfhörer mit festverdrahtetem Kabel und 6.3mm Adapter. That´s it!


Technische Daten

Wie immer gilt: Für mich sind sie nicht so wichtig, ich liste sie jedoch hier auf.

  • Gehäuse: Hanf / Ahorn
  • Treibertyp: Dynamisch
  • Bauart: Offen
  • Frequenzgang: 13hz-28kHz
  • SPL 1mW: 98
  • Impedanz: 38Ω
  • Driver Matched db: 0.05 db

Design, Tragekomfort & Verarbeitung

Kommen wir zum vermutlich kontroversesten Teil dieses Reviews. Grado polarisiert, was Design und Verarbeitung angeht. Kurz gesagt – Sie ziehen da in New York den Vintage Gedanken knallhart durch. Das führte in der Vergangenheit dazu, daß mich persönlichdie Kopfhörer nicht sonderlich interessierten – rein optisch bzw. konstruktiv begründet.

Die Konstruktion des Kopfbügels und die Verstellung ist fast über alle Modelle identisch. Vom SR60 für knapp über 100€ bis hin zum Top-Modell für knapp 2.000€. Das Design ist schlicht und archetypisch, man könnte es schon fast ikonisch nennen. Das Holzgehäuse sieht auf alle Fälle interessant aus, erinnert vom Muster ein wenig an Kork. Das Kopfband aus Leder ist einfach, aber effektiv und ausreichend.

Die Verarbeitung des Grado The Hemp ist „in Ordnung“. Die vermutlich gegossenen Haltebügel aus Plastik weisen Grate auf, die wahrscheinlich von der Gussform herrühren. Die Holzoberfläche ist unterschiedlich rau und die Größenverstellung ist „robust“. Einfach eine Metallstift, die aufgrund von Reibung in einer Hülse verschoben wird. Die Metallstangen sehen auch nicht nach High-End Stahl aus. Puh…..

Kommen wir zum Tragekomfort. Hierbei ist ausschlaggebend, daß es sich beim Hemp um einen Onar Kopfhörer handelt. D.h. es gibt keine uhrumschließenden Polster, sondern das sehr dünne und mittelweiche Material liegt direkt auf den Ohren auf. Zusätzlich ist die Dicke des Polsters über dem Treiber gerade mal ca. 5mm. Wer kommt auf so etwas? Um den Preis des komfortabelstem Kopfhörer muss sich der Hemp also schonmal nicht bewerben. Mehr noch: Brillenträger haben extreme Komfortprobleme – ich jedenfalls kann den Hemp mit meiner Lesebrille nicht länger als 15 Minuten ohne Entlastungspause tragen. Den hohen Anpressdruck habe ich durch vorsichtiges Aufbiegen des Kopfbügels bereits entschärft.

Beim Kabel wird die Sache noch abenteuerlicher: Zum einen ist es dick, störrisch und unflexibel. Zum anderen ist es fest verdrahtet!! Im Jahre 2023. Keine Chance auf einen Kabeltausch – zumindest nicht ohne erheblichen Aufwand. Der Ausdruck Bügeleisenstrippe trifft den Nagel hier auf den Kopf. Umso unverständlicher, da der Hemp eigentlich ein Leichtgewicht ist. Durch das Kabel und die dünnen Polster wird er leider zum umständlichen und unbequemen Kopfhörer. Absolutes Unverständnis meinerseits.

Viel Kritik für meine Verhältnisse. Ganz nach dem Motto „Ich teste. hier nur was mir gefällt“ fragt ihr euch wahrscheinlich gerade, warum es diesen Testbericht überhaupt gibt. Ich verrate es Euch. Es ist der Klang!


Klangqualität

Ein jeder weiß, was man aus der Hanf-Pflanze neben allerlei nützlichen Sachen noch so gewinnen kann. Nun hat man dem Portfolio der Anwendungsbereiche ein weiteres hinzugefügt: Auch im Kopfhörer sind die Fasern äußerst effektiv und der Sound macht regelrecht süchtig…

Grado The Hemp – Highly Addicted Sound!

Gehört habe ich den Hemp für diesen Test am Questyle Fifteen (Test) und an diversen DAP und KHV wie dem Astell & Kern KANN MAX (Test), dem Violectric V226 und dem ifi Audio Gryphon (Test). Mit 38Ω und 98db @1mW ist der Hemp nicht sehr anspruchsvoll, was die Leistung des Verstärkers angeht. An einem kleinen DAP oder gar Smartphone funktioniert er schon sehr gut. Sein volles Potential entfaltet er aber erst an einem potenten Player/Verstärker.

Allgemeiner Klang

Tonal ist der Hemp leicht warm, mit signifikanter Bassbetonung, einem herausragenden Mittenbereich und soften, aber brillanten und sehr gut auflösenden Höhen. Und er ist direkt – sehr direkt! Er ist so nah am unmittelbaren und direkten Sound von Inear-Kopfhörern, wie man als Over-/Onear nur sein kann. Dieses unmittelbare „mittendrin“ Gefühl ist bei großen Kopfhörern eher ungewöhnlich. Ich weiß nicht, ob es mit der kurzen Distanz von Treibern zum Ohr zusammenhängt – was naheliegend wäre -, auf jeden Fall trägt diese Direktheit zum energiegeladenen und live-heftigen Klangbild des Hemp unmittelbar bei.

Bass
Der Bass ist kompakt, straff und knackig. Dazu eine Prise druckvollem Punch und eine tolle Detailauflösung an der Textur. Von allen Grados, die ich anlässlich der Headphoneshow in Essen gehört habe, hat mir als Drummer der Hemp am besten gefallen. Besonders das schnelle Anspracheverhalten bei Transienten weiß zu überzeugen und macht gerade bei härterer Musik richtig Laune. Snaredrum und Bassdrums sind ein Traum!

Mitten
In den Mitten gibt sich der Hemp energiegeladen, hochauflösend und mit reichlich Struktur und Details. Somit werden fette Gitarrenriffs ordentlich saftig und kräftig modelliert, man spürt den Druck, hat das Gefühl direkt vor dem Marshall Amp zu stehen. Überhaupt passt der Hemp erstklassig zu Metal und Rock.

Höhen
Hochauflösend und brilliant, aber kultiviert und niemals sibilant oder schrill. Die Höhen des Hemp sind natürlich und klar, ohne zu übertreiben. Der Hemp ist kein heller Kopfhörer, bietet aber eine solide Höhenarstellung mit vielen Details und Lustigkeit.

Bühne & Separation
Die Bühnendarstellung und das Imaging ist großartig. Weit, glaubhaft, dreidimensional und authentisch. Die Instrumentenseparation ist ebenfalls sehr gut. Positionierung im Raum und Abgrenzung der Instrumente untereinander ist verblüffend gut.


Fotos


Fazit

Der Klang ist über jeden Zweifel erhaben und macht den nicht ganz optimalen Komfort mehr als wieder wett. Wenn Grado dem Hemp ein abnehmbares Kabel spendiert hätte und andere (dickere, weichere) Polster aufgezogen hätte, wäre der Hemp ein absoluter Überflieger. So bleibt er leider „nur“ klanglich ein absoluter Könner – und damit hinter seinem Potential weit zurück. Für Puristen ist das okay, aber hier wäre noch viel mehr drin gewesen.

Aber nochmal: Was der Hemp klanglich abliefert, ist ein wirklich „highly addicted Sound“! Ich greife trotz der mangelnden Convenience verdammt oft zum Hemp, weil ich den Sound absolut mag!


Grado The Hemp | Bewertung

8.4

Sound

10.0/10

Verarbeitung

7.5/10

Komfort

7.5/10

Preis/Leistung

8.5/10

Pros

  • Direkter, mitreißender Sound
  • Toller, punchiger Bass
  • Charmantes Design
  • Leicht

Cons

  • Polster sehr unbequem
  • Kabel zu dick & störrisch
  • Kabel nicht wechselbar
  • Kabel nur mit 3.5mm Stecker
  • Mittelmäßige Verarbeitung